
Eine Beteiligung des chinesischen Logistik-Molochs Cosco am Hamburger Containerterminal Tollerort ist kategorisch abzulehnen. Diese Entscheidung muss sofort fallen und umgehend kommuniziert werden. Am 31. Oktober läuft die Frist im Investitionsprüfverfahren ab. Sollte die Frist nicht verlängert werden und es keinen Kabinettsbeschluss geben, gilt das faktisch als Zustimmung. Der Verkauf könnte dann abgewickelt werden und der chinesische Staatskonzern Cosco würde 35% an der Betreibergesellschaft des Hamburger Containerterminals Tollerort übernehmen. Bundeskanzler Olaf Scholz äußert sich nicht eindeutig. Will er den Deal durchgehen lassen, indem er den Termin verstreichen lässt?
China hält Deutschland unklares Verhalten vor, weil Europa keine einheitliche strategische Sprache spreche. Wenn wir in der jetzigen Situation eine weitere Diskussion zulassen und das Prüfungsverfahren ergebnisoffen verlängern, wirft China uns einmal mehr vor, ein unzuverlässiger Geschäftspartner zu sein. Und in der Tat bleiben unsere Regeln im Gegensatz zu Chinas offen. Dabei hat das Land speziell mit seinen Beteiligungen an ausländischen See- und Binnenhäfen gezeigt, dass eine ganze Branche dominiert werden soll. Gerade kleinere und minderheitliche Beteiligungen zeigen neben großen Zukäufen wie im griechischen Hafen von Piräus, dass China langfristige und weit übergreifende Strategien realisiert. Nichts ist den Zufall überlassen, die Meilensteine für die Zukunft sind gesetzt. Durch den Einstieg bei Tollerort erhielte China Zugang zu intimsten Daten über den zentraleuropäischen und atlantischen Containerverkehr. Im Verbund mit den zahlreichen Hafenbeteiligungen in Deutschland und Europa könnte China bald über Big Data zur europäischen Frachtlogistik verfügen wie kein Wettbewerber.
Europa hat China in seiner Zerstrittenheit und mit seinem Rechtssystem nichts entgegenzusetzen. So urteilt die europäische Kartellbehörde immer auf der Basis des europäischen Marktes, in dem Wettbewerbsgleichgewicht zu herrschen hat – mit dem Ergebnis, dass unsere Player im Vergleich zur weltweiten Wettbewerberstruktur zu klein bleiben und in ihrer globalen Reichweite begrenzt sind. Das staatliche Wirtschaftsverständnis, das unsere Industrie dirigiert, ist von gestern. Das chinesische Modell, das keine kartellrechtliche Steuerung und Abgrenzung gegenüber Staat und Wertschöpfungspartnern kennt, kann neue Wirtschaftsmodelle hingegen ungeregelt und -limitiert umsetzen.
Die Beteiligungen Chinas, etwa im Logistikbereich sind kein Zufall. Die Einzelbeteiligungen werden zum staatlich forcierten Netzwerk. China verfolgt rein nationalistische Interessen. Insofern ist die Aussage, eine Beteiligung der chinesischen Cosco verbessere die strategisch-wirtschaftliche Position des Hamburger Hafen ein reines werbliches Argument. Selbst die großen chinesischen Wirtschaftsunternehmen wie Baidu, Alibaba und Tencent müssen sich der staatlichen Macht unterwerfen. Es ist Tatsache, dass innerhalb der Konzerne staatsgetriebene Parallelstrukturen herrschen, die das Management beobachten und kontrollieren, ob alle Aktionen dem Staat dienen. Die chinesische Autokratie ist längst zu einer Digital-Diktatur geworden. Es ist eine Illusion zu glauben, dass dieses System geographisch auf China begrenzt ist. Längst werden deutsche Manager, die unternehmerisch auch in China tätig sind, in Deutschland überwacht. Es wäre naiv zu glauben, dass Cosco im Fall einer Beteiligung an einem Hamburger Containerterminal Überwachungsverpflichtungen ignorieren wird. Dies wird nicht so offensichtlich passieren wie in China, doch es wird passieren. Es geht darum, Geschäftsszenarien zu erkunden das Management gefügig zu machen.
Wollen wir das erlauben? Nein. Wir würden unsere bisherigen unternehmerischen und persönlichen Freiheiten auf mittlere Sicht zunehmend einschränken. Wir müssen viel mehr auf unsere mittelständischen Strukturen vertrauen, auf die Vielfalt der Logistiker und uns vor allem unserer europäischen Partner versichern. Aus dem Ukraine-Krieg haben wir gelernt, dass Europa in der Lage ist, sich zusammenzuschließen. Die Gefahren, die von China ausgehen, sind potenziell größer als die aus Russland. China könnte mit einem Schlag unsere halbe Wirtschaft lahmlegen, wenn etwa hochintegrierte Halbleiterbausteine ausbleiben, die den Schlüssel für professionelle Lösungen und Konsumprodukte darstellen. Wir können uns nur dadurch gegen China wehren, dass wir immer wieder Symmetrien einfordern: gleiches Verhalten Chinas. Wenn Europa null Beteiligungen an chinesischen Häfen hält, dann hat das als Argument gegen weiteres chinesisches Hafeneigentum in Deutschland zu gelten.
Nach diesem Muster sollten wir von EU-Regierungen auch symmetrisch angelegte Regularien zu China einfordern, die deutlich zu formulieren sind und zu deren Umsetzung sich alle verpflichten. So sollten wir konsequent alle diejenigen Branchen, die China gegenüber dem Ausland verschließt auch gegenüber China verschließen. Dazu gehören vor allem unsere Infrastruktur und die Logistik: Also keine weiteren Beteiligungen und Konzessionen im Sektor See-, Fluss- und Flughäfen.
Dieser Beitrag basiert auf einem ausführlichen Artikel in der Reihe „Denker der Wirtschaft“: https://www.dasinvestment.com/cosco-hamburger-hafen-china-investments-bundesverband-merger-und/
Prof. Dr.-Ing. Kai Lucks