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Der deutsche Mittelstand ist zentraler Treiber des M&A-Marktes. Wachstumsstrategien und Optimierung des Geschäftsmodells sind nur zwei Themen, die mittelständische Unternehmer umtreiben. Dazu kommen Digitalisierung und die Auswirkungen der Corona-Pandemie. Vom Mittelstand wird gefordert, sich neu aufzustellen und künftige Potenziale auszuloten. Jan Pörschmann, Partner bei Proventis Partners, erklärt im Interview, warum M&A ein probates Mittel ist, um die Veränderungen zu bewältigen.
Herr Pörschmann, Proventis Partners ist spezialisiert auf Transaktionen im Mittelstand. Wie definieren Sie diesen MidCap-Markt?
Pörschmann: Wir haben uns auf Unternehmen spezialisiert, die zwischen 10 Mio. EUR und 250 Mio. EUR Umsatz im Jahr erzielen. Das kann man als gehobenen Mittelstand bezeichnen. Die Wissenschaft spricht bei Mittelstand eher von 1 Mio. bis 50 Mio. EUR Umsatz.
Wie viele Unternehmen umfasst der Mittelstand nach Ihrer Definition in Deutschland?
Pörschmann: Wir sprechen nach dieser Definition von knapp 30.000 Unternehmen, davon sind zirka 12.000 Firmen inhabergeführt.
Wie stehen diese Unternehmen dem Thema M&A gegenüber?
Pörschmann: Das Alter spielt in diesem Zusammenhang eine große Rolle: je jünger die Führungskräfte, desto aufgeschlossener gegenüber dem Thema M&A. Die erste und zweite Generation Unternehmer ist in einem Umfeld aufgewachsen, in dem Entwicklungszyklen langsamer waren und organisches Wachstum ein probates Mittel war, um sich erfolgreich zu positionieren.
Heute haben neue Technologien eine deutlich höhere Penetrationsgeschwindigkeit. Mit dieser Tatsache leben junge Manager leichter – sie sind mit dem Tempo groß geworden und stellen sich zügig auf veränderte Gegebenheiten ein. Sie erkennen schnell, dass M&A eine Option ist, um sich Prozess- und Methoden-Know-how zu erschließen.
Welche Vorteile bringt M&A darüber hinaus?
Pörschmann: M&A ist ein mächtiges Instrument, um die Unternehmenszukunft zu gestalten – und dabei so vielfältig wie ein Schweizer Taschenmesser. Jede Zukunftsentscheidung eines Unternehmers sollte sich an der Frage „Make or Buy?“ orientieren. Wie eben beschrieben: In unseren Zeiten des beschleunigten Wandels ist die Buy-Entscheidung immer öfter valide – vor allem, wenn es um das Thema „Time-to-Market“ geht.
M&A wird oft mit 100%igem Zu- und Verkauf assoziiert – welche Spielarten gibt es darüber hinaus?
Pörschmann: Diese Einschätzung muss man korrigieren. Die M&A-Welt ist bunt: Neben Zu- und Verkauf gibt es beispielsweise die Option einer Beteiligung, einer Über-Kreuz-Beteiligung oder auch das Modell Service-Equity – unterschiedlichste Möglichkeiten eröffnen sich, zum Beispiel Joint-Ventures oder Partnerschaften mit Private-Equity-Gesellschaften.
Dominiert weiterhin die Nachfolgethematik, wenn Unternehmer sich für M&A entscheiden?
Pörschmann: Die meisten Gespräche, die wir führen, resultieren aus der Nachfolgefrage. Zunehmend sehen wir aber auch andere Cases: Unternehmen, bei denen eine Private-Equity-Gesellschaft investiert ist, die wiederum eine Buy-and-Build-Strategie verfolgt. Es besteht im Mittelstand heute grundsätzlich mehr Offenheit, mit Private Equity zu sprechen, das erhöht die Zahl der Transaktionen in diesem Bereich kontinuierlich.
Der Kulturunterschied zwischen Private Equity und Mittelstand stört nicht mehr?
Pörschmann: Dieser Kulturunterschied ist sicherlich vorhanden. Der klassische Private-Equity-Fonds mit einer festen Laufzeit muss in einer überschaubaren Periode Ziele erreichen – das ist meist nicht die Frist des Unternehmers. Dieser denkt langfristiger.
Allerdings gibt es inzwischen immer mehr Investoren, die keine laufzeitgebundenen Fonds haben und so die entscheidende Brücke legen. Zudem stellen sich sehr viele Private-Equity-Gesellschaften mit exzellenten Beiräten auf, die sich in den Transaktionsteams einbringen, sodass der Unternehmer von vornherein weiß, mit welchen Persönlichkeiten er zu tun hat.
Wenn man sich einmal entschieden hat, M&A zu machen – wie sollte die Umsetzung konkret aussehen?
Pörschmann: Der Respekt vor der Komplexität der M&A-Prozesse ist meist groß und oft der entscheidende Hinderungsgrund. Dieser Herausforderung begegnet man am besten, indem man sich Experten und Beratung an die Seite holt. Zum einen sind das die Rechtsanwälte, die helfen, die hochkomplexen Transaktionsverträge zu verhandeln.
Dazu kommen die Steuerberater. Es gibt nicht eine Transaktion, bei der nicht mindestens ein Steuerthema hochkommt.
Zudem braucht es das komplette Prozess-Know-how, über das die entscheidenden Fragen geklärt werden – und das die M&A-Berater beisteuern: Wie viele Interessenten werden angesprochen, wann Investoren angegangen? Das Aussteuern des Bieter-/Target-Feldes ist ein wesentlicher Punkt. Dann geht es um die Offenlegung: Wann werden in welchem Detailgrad welche Informationen offengelegt? Außerdem braucht es einen Verhandlungsführer, der unaufgeregt an die Abstimmung herangeht und sich nicht von eigenen Emotionen leiten lässt. Zuletzt geht es um die zeitliche Synchronisierung der Prozesse, die auf die Ressourcen der beteiligten Unternehmen abgestimmt sein muss.
Wo sehen Sie im Mittelstand die größten Hindernisse für erfolgreiche Transaktionen?
Pörschmann: In der ersten Phase scheitern viele Deals an den Preisen. Das gilt aktuell besonders: Wir bewegen uns in Sachen Unternehmenspreise auf einem All-Time-High.
Ist man sich kommerziell einig und geht in die Due Diligence, kommen Themen hoch, die in der Vergangenheit nicht in ausreichender Intensität betrachtet wurden – beispielsweise der Bereich Datenschutz. Die DSGVO ist ein klassisches Thema.
Bei Cross-Border-Transaktionen oder Käufen durch Großkonzerne kommt das Thema Compliance hinzu: Hat man sich an alle Auflagen gehalten, gibt es Geschäftsbeziehungen mit Ländern, die auf Sanktionslisten stehen? Der Mittelstand ist sicher willens, diesen Kriterien gerecht zu werden, aber nicht immer optimal in der Lage, alle Anforderungen zu erfüllen.
Welche Rolle spielen Cross-Border-Deals im Mittelstand und welche Auswirkungen hat das AWG auf Transaktionen mit nicht-europäischen Partnern?
Pörschmann: In den letzten zehn Jahren hat der Mittelstand etwa ein Drittel seiner Zukäufe im Ausland getätigt. Zudem gingen rund 50% der Verkäufe ans Ausland. Das Thema AWG wird immer wieder genannt – es sind aber besondere Branchen, die davon betroffen sind, systemrelevante Industrien wie IT-Sicherheit oder Energie. Im Mittelstand, wie wir ihn definieren, habe ich das AWG als Deal Breaker noch nicht erlebt.
Welche Relevanz hat das Thema ESG?
Pörschmann: Nachhaltigkeit muss ins Geschäftsmodell der Unternehmen integriert werden. Da bietet sich eine Beteiligung an dem jeweiligen Dienstleister mitunter an – es wird mehr unter ganzheitlichen Gesichtspunkten auf den Markt geschaut, und dadurch werden Transaktionen mit ESG-Bezug getrieben.
Herr Pörschmann, vielen Dank für die spannenden Informationen.
Zum Interviewpartner:
Jan Pörschmann (*1970) ist Gründer und Managing Partner der Proventis Partners GmbH in München. Er ist spezialisiert auf Transaktionen im Technologie-, Software- und Medienumfeld meist inhabergeführter Unternehmen.
Dieses Interview wurde zuerst in der M&A REVIEW 03/2022 veröffentlicht.